Non scholae, sed vitae discimus

Non scholae, sed vitae discimus

Haben Sie schon einmal jemanden getroffen, der behauptet, Latein sei in der Schule sein Lieblingsfach gewesen? Ich nicht. Und ich möchte die These aufstellen, dass es so jemanden nicht gibt. Nicht geben kann. Denn wer lernt als Kind schon gern eine Sprache, die niemand mehr spricht? Mal ganz abgesehen von der doch recht komplexen Grammatik. Deren Einzelheiten sind mir im Laufe der letzten Jahrzehnte komplett entfallen, sofern ich sie überhaupt jemals verstanden habe.

Trotzdem profitiere ich heute vom damals ungeliebten Lateinunterricht. Nicht, weil ich Apothekerin oder Ärztin oder Lateinlehrerin geworden wäre, sondern in meiner Eigenschaft als Hobbygärtnerin. Denn die lateinischen Namen von Pflanzen geben oftmals Aufschluss über deren Eigenschaften. Was besonders dann von Vorteil sein kann, wenn man die Pflanzen, die man kaufen möchte, nicht leibhaftig sehen kann, etwa weil sie noch sehr klein (vielleicht sogar in Samenform) sind, man sie übers Internet bestellt oder man keine Ahnung hat, welche Herkunft sie hat oder welchen Standort sie bevorzugt. Zudem gibt es ja oft von einer Pflanzengattung viele Arten, deren Unterschiede dann im lateinischen Namen deutlich werden.

Denn die lateinischen Namen sind nicht irgendwie ausgedacht, sondern folgen dem Regelwerk des Internationalen Codes der Botanischen Nomenklatur (ICBN) und baut sich immer folgendermaßen auf: Das erste Wort bezeichnet die Gattung, das zweite die Art. Wobei das zweite Wort in der Regel ein Adjektiv ist, also eine Eigenschaft der Pflanze beschreibt. Eine Rosa floribunda ist demnach eine vielblütige Rose. Oft ist der Artenname auch ein Hinweis auf die Farbe (alba = weiß, nigra = schwarz, rubra / purpureum = rot), den Herkunftsort (z.B. americana, africana, alpinum, canadensis, chinensis, europaeus, japonica, orientalis, persica), den bevorzugten Standort (aquatica = Wasserpflanzen, silvestris = Wald), die Erscheinung bzw. Gestalt (angustifolia = schmalblättrig, arborea = Baum / verästelt, dentata = gezähnt / gezackt, domestica = Hauspflanze, floribunda = reich blühend, grandifolia = großblättrig, racemosa = Trauben / Wein tragend, sanguineum = blutig / blutrot, spicata = Ähren tragend, mit einer Spitze versehen, spinosa = mit Dornen / Stacheln versehen, tinus = Schneeball) oder sonstige Besonderheiten. Das Wort aucupare bedeutet etwa „auf Vogelfang gehen“ und der Zusatz aucuparia im lateinischen Namen lässt ahnen, dass diese Pflanze von den Vögeln gemocht wird – folgerichtig heißen Vogelbeerbäume auf Lateinisch Sorbus aucuparia. Eine Clematis montana ist eine Bergrebe, eine Campanula carpatica eine Karpaten-Glockenblume und Ribes nigrum sind schwarze Johannisbeeren (bzw., in Österreich, Ribiseln).

Also alles ganz logisch und unter Umständen sehr hilfreich. Weswegen ich mich inzwischen mit dem Lateinischen ausgesöhnt habe. Dass es in der Schule mein Lieblingsfach war, kann ich zwar immer noch nicht sagen, aber wenigstens war es zu etwas gut.

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