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Keine bunte Kirche für alle: In der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wird es auch weiterhin keine öffentlichen Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare geben.
Es fehlten nur zwei Stimmen, dann hätte es auch in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg öffentliche Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare gegeben. Doch der Gesetzentwurf des Oberkirchenrats, der solche Feiern ermöglichen sollte, scheiterte am Mittwoch in Stuttgart in der Landessynode an der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit. 62 der 96 anwesenden Synodalen stimmten dem Entwurf zu, 64 wären erforderlich gewesen.
Damit gilt in der württembergischen Kirche weiterhin die Regelung, dass gleichgeschlechtliche Paare ausschließlich im nichtöffentlichen, seelsorgerlichen Rahmen begleitet werden. In den meisten der 20 Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist eine öffentliche Trau- oder Segnungsfeier möglich, unter anderem in der benachbarten Evangelischen Landeskirche in Baden.
Evangelische Landeskirche spricht sich auch gegen öffentliche Segnung aus
Der Gesetzentwurf des Oberkirchenrats hatte vorgesehen, Segnungsfeiern ins Ermessen der Ortsgemeinden und des Ortspfarrers zu stellen. Durch diesen Kompromiss hätten die einen Gemeinden das Angebot machen, andere hätten es ablehnen können. Synodale des stärksten Gesprächskreises der Synode, der "Lebendigen Gemeinde", machten in der Debatte allerdings deutlich, dass sie in Segnungsfeiern eine Verwechslungsgefahr mit Traugottesdiensten sähen und gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit Blick auf Bibel und Bekenntnis nicht auf eine eheähnliche Stufe stellen wollten.
Martin Plümicke, Sprecher des Gesprächskreises "Offene Kirche", äußerte vor Journalisten tiefe Enttäuschung über die verfehlte Zwei-Drittel-Mehrheit. Es habe in seinem Gesprächskreis Tränen gegeben. Plümicke rief Kirchengemeinden dazu auf, der Initiative "Regenbogen" beizutreten und gleichgeschlechtliche Paare zu unterstützen. Man werde auch juristische Schritte prüfen, um Homophilen den Segen zu ermöglichen.
Dekan Ralf Albrecht von der "Lebendigen Gemeinde" sieht nach eigenen Worten die bestehende Trauordnung der Landeskirche durch den Beschluss gestärkt. Dass ein Drittel gegen die Homo-Segnung gestimmt habe, spiegele die Mehrheitsverhältnisse in der Kirche wider.
Dekan Ernst-Wilhelm Gohl ("Evangelium und Kirche") sprach von einem "bitteren Tag" in der Synode. Ohne den Freiraum für die Segnung Homophiler werde Pfarrern die Gewissensfreiheit verweigert, solche Amtshandlungen vorzunehmen. Götz Kanzleiter ("Kirche für morgen") sagte, es sei nach dem Synodenbeschluss schwer, eine schnelle Lösung "für die leidenden Menschen" zu finden.
Landesbischof Frank Otfried July kündigte an, sich weiter für eine Wertschätzung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Landeskirche einzusetzen. Er warnte aber Pfarrer und Kirchengemeinden davor, ohne rechtliche Grundlage homophile Paare öffentlich zu segnen: "Wir können als Kirchenleitung nicht zulassen, dass das jeder individuell entscheidet."
In einer ersten Reaktion äußerte sich der Lesben- und Schwulenverband in Baden-Württemberg enttäuscht von der Synodenentscheidung. Gelebte Homosexualität gelte in vielen Gemeinden nach wie vor als Sünde, kommentiert Brigitte Aichele-Frölich aus dem Landesvorstand in einer Mitteilung.
In Baden-Württemberg gibt es zwei evangelische Landeskirchen: die württembergische und die badische Landeskirche. Zur lutherisch geprägten Evangelischen Landeskirche in Württemberg gehören nach eigenen Angaben knapp 2,1 Millionen Christen in rund 1.300 Kirchengemeinden. Sie ist die sechstgrößte der insgesamt 20 Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Pressemitteilung der Offenen Kirche zur Entscheidung der Landessynode:
"Gekämpft, gehofft und doch verloren.
Die Synodalen der Offenen Kirche haben engagiert in der Landessynode Württembergs für die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare gestritten. Sie legten einen Gesetzentwurf vor, der nach der staatlichen "Ehe für alle" auch die kirchliche Trauung für alle möglich gemacht hätte. Die Mehrheit der Synode lehnte diesen Antrag ab. Schweren Herzens entschlossen sich die Mitglieder der Offenen Kirche dazu, dem vom Oberkirchenrat vorgelegten Kompromissvorschlag zuzustimmen. Dieser Vorschlag hätte Gemeinden ermöglicht, anlässlich einer Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare eine Amtshandlung vorzunehmen. Dies wurde als "Ausnahme" gekennzeichnet. Eine Diskriminierung, die die Offene Kirche nicht will. Dennoch haben die Synodalen der Offenen Kirche ebenso wie die der beiden anderen Gesprächskreise zugestimmt, um wenigstens einen kleinen Fortschritt zu ermöglichen. Doch auch dies scheiterte, weil die Mehrheit der pietistischen Lebendigen Gemeinde nicht einmal einen kleinen Fortschritt zugestehen wollte. Damit bleibt in Württemberg alles beim Alten: keine öffentlichen Gottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare.
Die Offene Kirche wird sich weiterhin für die Rechte gleichgeschlechtlich Liebender einsetzen. Sie wird nicht nachlassen, bis auch in Württemberg Traugottesdienste für sie möglich sind. Die Offene Kirche ruft zugleich alle Gemeinden dazu auf, der Initiative "Regenbogen" beizutreten und ihre Offenheit für Schwule und Lesben zu bekunden. "Die Kirche ist bunter als die Synode." stand auf den Transparenten der Theologiestudierenden auf der Empore des Hospitalhofs. Die Offene Kirche setzt sich weiter dafür ein, dass das sichtbar wird."