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Das Drehbuch stammt erneut von Rodica Döhnert, die sich diesmal an Goethes "Wahlverwandtschaften" orientiert hat. Zentrale Figuren ihrer Geschichte über den Untergang der kaiserlich-königlichen Monarchie Österreich-Ungarn sind zwei Paare, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts im weltberühmten Wiener Hotel Sacher über den Weg laufen: Die junge Ungarin Konstanze (Josefine Preuß) ist kürzlich mit dem Habsburger Hans Georg von Traunstein (Laurence Rupp) verheiratet worden, einem Utopisten, der sich für eine Versöhnung der Klassen engagiert. Im Stillen träumt auch Konstanze von einem völlig anderen Dasein. Deshalb fühlt sie sich zur Berlinerin Martha Adelheid (Julia Koschitz) hingezogen, die an der Seite ihres Mannes Maximilian (Florian Stetter) das Leben einer selbstständigen Frau führt. Die beiden haben gemeinsam einen Verlag gegründet. Es zeigt sich, dass die heimlich schreibende Konstanze eine begabte Autorin ist; ihre unter einem Pseudonym veröffentlichten Romane werden zu Bestsellern. Zusätzlich zur Freundschaft der beiden ungleichen Frauen entwickelt sich über Kreuz eine erotische Faszination zwischen den Paaren, der aber nur Max und Konstanze nachgeben.
Dieses Beziehungsgeflecht ist jedoch nur die emotionale Basis des Films. Das Drehbuch besteht aus einer Vielzahl von Handlungssträngen, die Döhnert dank des Hotels, in das die Handlung immer wieder zurückkehrt, nicht etwa miteinander verknotet, sondern kunstvoll miteinander verwebt. Anna Sacher, die nach dem Tod ihres Mannes gegen verschiedene Widerstände die Leitung des Hotels übernimmt, ist daher die dritte starke weibliche Hauptfigur, und ähnlich wie Preuß und Koschitz ist auch Ursula Strauss eine ausgezeichnete Besetzung. Wie eine Spinne in ihrem Netz knüpft Anna Sacher, Zigarren paffend, Verbindungen zwischen ihren Gästen. Auf diese Weise weitet Döhnert geschickt den Blick, denn da sich im Sacher sämtliche Honoratioren die Klinke in die Hand geben, wird hier auch die Politik gemacht, die die Zeitläufte bestimmt: Zu Beginn des neuen Jahrhunderts wird die Kluft zwischen Tradition und Moderne immer größer; der Untergang der Belle Epoque beginnt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).